Beschreibung des Entwurfs-programmes |
HS21
Ideale Architektur
STORAGE
Wir verstehen die Frage nach dem Raum zum Aufbewahren von Dingen als ein wesentliches, dauerhaftes Thema der menschlichen Gesellschaften aller historischen Epochen. Von den prähistorischen Krügen bis zur Stadt Delphi, wo die alten Griechen zum ersten Mal in der Geschichte Europas Schriftstücke und persönliche Gegenstände aufbewahrten. Von den primitiven Höhlen bis zum Palast von Knossos, von den römischen Getreidespeichern bis zur Wüste von Nevada, wo die verborgene Seite unserer Cloud-Gesellschaft mit ihrem enormen Platzbedarf für die Datenspeicherung liegt.
Der Vorgang des Speicherns hat mit der Frage nach dem "Standard"-Mass zu tun. Jede Epoche und jede Gesellschaft definiert kulturell, was ihre Standards sind, basierend auf den Notwendigkeiten ihrer Zeit, und so passt sich die Architektur des Speichers den sich ständig ändernden Standards an und entwickelt sich weiter. Über viele Epochen hinweg wurden die wichtigsten Konventionen zur Aufbewahrung vom menschlichen Körper abgeleitet. Vom Gewicht, das ein gesunder Mensch heben kann, bis zur Art und Weise, mit der eine Hand nach einem Gegenstand greift, bestimmte der Körper die Lagerung. Das Aufkommen von Normen wie der europäischen Palettennorm EPAL nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Lagerung grundlegend verändert. Es ist nicht mehr möglich zu sehen, was sich in einem Container befindet, und es spielt auch keine Rolle mehr für die Person, die ein Transportfahrzeug manövriert. Aus der Abkopplung von der Ware und ihrem Gefäss folgt ein intensiv generischer Raum wie ein Containerlager der seine Aufenthaltsqualität für den Menschen verloren hat.
Die Gegenstände, die unsere Gesellschaft lagert, zu kategorisieren, ist ein so umfangreiches Unterfangen wie die Gesellschaft selbst. Entlang der meisten Schweizer Bahnstrecken kann man Formen beobachten, die für die Aufbewahrung von Materialien in verschiedenen Zustandsformen ausgelegt sind. Von flüssig über gasförmig bis hin zu fest, von Schüttgut bis hin zu gestapelten Blöcken - die physikalischen Eigenschaften beeinflussen die Bewegung und Lagerung. Grossmassstäbliche Lagerung ist Gegenstand vieler fotografischer Arbeiten, eine vertrautere und persönlichere Lagerung findet in unseren Portemonnaies statt, ganz zu schweigen von unserer digitalen Existenz, die in der Cloud gespeichert ist.
In diesem Semester wollen wir die Architektur des Speicherns in der Schweiz unter die Lupe nehmen. Mittels Feldforschung, Zeichnung, Lektüre, Diskussion und Entwurf werden wir nach dem Ideal der Lagerung suchen und eine Sammlung der interessantesten Lagergebäude vorschlagen. Wir sind der Meinung, dass diese Gebäude nicht nur ein wichtiger Bestandteil einer funktionierenden Gesellschaft sind, sondern auch eine unterschätzte Schönheit besitzen und dass sie durch eine typologische Kartierung das Potenzial haben, die Mechanismen der gebauten Welt zu beleuchten.
FS22
Reale Architektur
SPACE OF ACCUMULATION
Akkumulation beschreibt die allmähliche Ansammlung von Elementen. Nach diesem Prinzip funktionieren viele wichtige Prozesse wie die Zivilisation, die Geschichte, die Wirtschaft und nicht zuletzt die Entstehung der Planeten. Auch Architektur unterliegt dem Prinzip der Akkumulation, denn Gebäude entstehen nicht von heute auf morgen, sondern werden nach und nach auf der Baustelle zusammengesetzt. Was sind denn Pyramiden, wenn nicht eine Ansammlung von Steinen? Eine mögliche Antwort wäre, dass sie ein Speicher sind; eine architektonische Antwort auf die Anhäufung, die so alt ist wie die Zeit selbst. Ist die traditionelle Lagerung heute noch gültig? Was können Räume der Akkumulation für die Architektur bedeuten?
Angesichts der zunehmenden Konzentration auf die Anhäufung von Kapital, Gütern und Daten in der heutigen Gesellschaft sollte man meinen, dass Räume der Akkumulation ein wesentlicher Bestandteil unseres täglichen Lebens sind. Stattdessen fehlen sie auf verdächtige Weise in der öffentlichen Wahrnehmung, werden als etwas Notwendiges, aber Unansehnliches versteckt. Es stimmt, dass die Komplexität und das Ausmass dieser Akkumulationsprozesse zermürbend sein können, und wie das Sprichwort sagt: Man will nicht wissen, wie die Wurst produziert wird. Doch könnte es für eine nachhaltige Zukunft notwendig sein, die Herstellung der Wurst zu verstehen?
Wenn ein Mensch die Möglichkeit hat, seine Anhäufungen zu speichern, kann er anders leben als jemand ohne Spuren: Es entsteht eine physische Erinnerung an die eigene Vergangenheit sowie die Möglichkeit, vorauszuplanen und für später zu sparen. Auf diese Weise kann Akkumulation tatsächlich zu einem minimalem Verbrauch und Wiederverwendung führen, was wichtige Schritte in Richtung Nachhaltigkeit sind. Wie kann Recycling unsere Arbeit an architektonischen Formen und Räumen beeinflussen?
In unserem Studio werden wir das Wissen aus dem vorangegangenen Semester über das ideale Lagern nutzen, um das Ideale mit dem Realen zu verbinden und darüber zu spekulieren, wie Recycling auf den Akkumulationsraum von morgen trifft, denn wir glauben, dass die Beantwortung der Frage nach der Akkumulation der Zukunft bedeutet, die Architektur mit den Notwendigkeiten und Dringlichkeiten kommender Gesellschaften zu verbinden. |
Lernziele |
HS21
Fähigkeit zur systematischen Analyse von Bauten aus unterschiedlichen Epochen und deren fotografische Beschreibung. Die Untersuchung und das Verständnis architektonischer Regeln, Qualitäten und Prinzipien mittels zeichnerischen Darstellungen wie Axonometrien, Plandarstellungen mit Schatten und Farben. Aneignung dieses Wissens und die Fähigkeit, dieses im eigenen Entwurf anzuwenden.
FS22
Entwickeln einer eigenständigen, verantwortungsvollen und visionären Haltung zu einer aktuellen gesellschaftlichen Fragestellung mit dem Medium der (Plan-)Collagen. Fähigkeit, (architektur-) theoretische Texte kritisch zu lesen, zu diskutieren und zur Fragestellung in Beziehung zu setzen. Entwickeln eines städtebaulich, typologisch, formal kohärenten eigenständigen Projekts, das sich mit dem Thema des Wiederverwendens auch konstruktiv auseinander setzt und mittels Modell sowie Plänen dargestellt wird.
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